Ich bin Tagesmutter. Was viele vielleicht nicht wissen:
Die gesetzliche Grundlage für den Bildungsauftrag in der Kindertagespflege ist die gleiche, wie die für Kindertagesstätten.
Ein Auszug daraus macht es deutlich: Der Förderungsauftrag umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes.
Im Spiel geht es runtergebrochen gesehen um Bildung. Spielen ist Lernen durch Beobachten, Nachahmen, Erforschen, Entdecken und vielem mehr. Spielen ist Bildung!
Viele
Bildungsbereiche sind im Gesetz aufgeschlüsselt: Naturwissenschaften, Sprache, Musik, Körper und Bewegung (...).
Immer angepasst an den jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes schauen die Betreuungspersonen nach passenden Angeboten. Dafür sollte natürlich entsprechendes Material vorhanden sein.
Angelehnt an diese Bildungsbereiche habe ich meine Umgebung vorbereitet und die Raumgestaltung daran ausgerichtet.
Man sagt auch „der Raum als ergänzender (dritter) Erzieher“ (nach Reggio).
Nach diesem Leitbild habe ich meine Räumlichkeiten eingerichtet: So, dass die Materialien einen Aufforderungscharakter bieten, dass keine Gefahren drohen und die Kinder sich frei entfalten und entdecken können.
Um passendes Material anbieten zu können, sollte man auch ein wenig in die Entwicklungspsychologie des Kindes einsteigen:
Kognitive
Entwicklung
A) Rotation
B) Transport
C)
Verbinden
D) Einpacken, Auspacken
E) Linie / Fall
Diese
Schemata sind bei nahezu allen Kindern zu beobachten, im Alter von
0-3 Jahren.
SINNVOLLE SPIELMATERIALIEN
A)
Rotation:
- Bälle, Kugeln, Rasseleier/Holzeier
- Autos,
Fahrzeuge
- Kreisel, beschwerte Flaschen (Flaschendrehen)
-
Frisbeescheiben, Sitzscheiben zum Rollen
- Motorikwand mit Rollen
aus dem Baumarkt
- Bambus/Weidenreifen, Hoolahoop Reifen
- sich selbst im Kreis drehen
B) Transport
- Puppenwagen,
Lauflernwagen, Schubkarre
- Laster
- Wäschekorb, Kiste,
Karton, Korb zum Schieben
- Tasche, Rucksack, Koffer
- Eimer
- "Schleppsäcke" (Türstopper aus Stoff)
C) Verbinden
- Bausteine,
Klötze
- „Steck“Dosen
- Puzzle
- Holzeisenbahn
-
Holz-Kugelbahn
- Magnete / Klettwand
- Autoschlangen bauen
D) Einpacken / Auspacken
-
Dosen, Kisten & Kartons mit Deckel
- Zeitungspapier,
Papiertischdecke, Mullbinden
- Taschen, Koffer, Rucksäcke
-
Decken, Tücher, Handtücher
- Yoga-Matte
E) Linie/Fall (Schwerkraft)
-
Haltung entwickeln hin zu, dass dein Kind auch Dinge fallen lassen
oder werfen darf.
- Weiche Bälle
- Wurfkastanien
- Aus dem
Hochstuhl (Plastik)besteck werfen lassen
- Mal was aus dem Fenster
auf den Rasen werfen
- Stöcke ins Wasser werfen
Insbesondere zum Letzten Punkt mag ich Dir noch etwas aus der Hirnforschung ans Herz legen:
Um die Nervenbahn zu schützen, wird diese von sogenanntem „Myelin“ ummantelt. Diese Biomembran wird mit jeder Erfahrung stärker, sodass dein Kind mit jeder Entdeckung, die es ausleben durfte, quasi cleverer wird - und das ganz im Spiel! Es perfektioniert mit jeder Ausübung die jeweilige Fähigkeit. Dabei hat jedes Kind zwar die gleichen Voraussetzungen mitgegeben, die physikalischen Schemata auszutesten. Natürlich bringt aber jedes Kind auch schon seine ganz eigenen Vorlieben, also echte Interessen mit sich. Das eine Kind verharrt deshalb eventuell länger in der Erfahrungserweiterung der Rotation und baut sich ein breites Spektrum an Wissen über Verhältnisse vielfältigster Gegenstände, die sich drehen, auf. So habe ich ein Tageskind, welches am liebsten alle drehbaren Gegenstände den Flur auf und ab rollt: Flaschen, Kugeln, Bälle, runde Bauklötze, Dosen und vieles mehr. Ein Mädchen widerum bringt eine grosse Neugierde in Sachen Abwechslung mit sich und tobt sich deshalb, wenn auch jeweils oberflächlicher, in jedem einzelnen physikalischen Schema aus. Die Bandbreite ihrer Erfahrungen wird dann zwar viel früher sehr vielseitig sein, als bei dem Jungen, dafür hat dieser aber sehr früh eine Art Spezialwissen aufgebaut. So bringt jedes Kind schon sehr früh sein eigenes Temperament ins Spielverhalten ein.
Sozial –
Emotionale Entwicklung
Bereits im Alter von etwa
fünf Monaten beginnt beim Säugling das Verständnis der Objekt- un
Personenpermanenz. Es weiß nun, dass seine Mama noch da ist, auch
wenn es sie nicht sieht. Je nach Temperament ist eine Abwesenheit der
Mutter selbstverständlich unterschiedlich aushaltbar fürs Kind. Ab
dem 8. - 10. Lebensmonat verknüpft das Baby Begriffe mit
Gegenständen, die es nicht sieht. Deshalb sind bei den
U-Untersuchungen Suchspiele auf Bildern oder auch die Frage danach,
ob das Kind "Aufforderungen" wie "Hol mir mal den
Ball" nachkommt, sehr beliebt. Ab dem ersten Geburtstag könnte
dein Kind Gefallen am aktiven Versteckspiel finden. Ein paar Ideen
zum Einstieg ins Versteckspiel folgen weiter unten. Großen Spaß
macht das aktive Verstecken meiner Erfahrung nach so ab dem 2.
Lebensjahr. Sich darauf einzulassen, durch die Wohnung zu flitzen und
die offensichtlichsten Verstecke deines Lieblings mit Absicht erstmal
nicht ausfindig zu machen, kann große Freude und Lachanfälle
hervorrufen.
Ab etwa 18 Monaten beginnt die Ausbildung der Empathiefähigkeit. Vorher gab es keinerlei Unterschied für dein Kind zwischen den eigenen und den fremden Emotionen. Dass dein Kind solidarisch mit weint hast Du vielleicht bereits erlebt. Außerdem bildet sich in diesem Alter das ICH-Bewusstein stark aus. Kennst Du den Nasenpunkt-Test? Wenn sich dein Kind in dem Alter vor einem Spiegel aufhält, kannst Du ihm einen Tupfer (Creme oder Farbe) auf die Nase malen. Berührt es "die Nase im Spiegel", so hat es diesen Entwicklungssprung noch nicht ganz vollzogen, denn dann denkt es, dass ihm aus dem Spiegel ein Spielkamerad zulächelt. Fasst es beim Blick in den Spiegel aber sich selbst an die bemalte Nase, so weiß es genau: das da im Spiegel, das bin ICH!
Diese Entwicklung des ICH-Bewusstein ist der Grundstein und späterer Auslöser der sogenannten Autonomie-Phase. Diese Phase kann sehr langatmig und herausfordernd für Eltern sein, denn das Kind hat ein ausgesprägtes Bedürfnis, seine Selbtswirksamkeit zu spüren und auszuleben. Leider oft in einem Alter, in dem es sich verbal noch nicht ausreichend verständigen kann. Diese Zeit erfordert also eine Menge Geduld und Einfühlungsvermögen seitens der Eltern oder Betreuungspersonen, denn das Stillen dieses Bedürfnisses nach Autonomie ist wichtig.
Aufgrund der oben genannten Sozial-Emotionalen Entwicklungsschritte sind nun also folgende zwei Spielmöglichkeiten enorm wichtig für Kinder im Alter von 0-3 Jahren:
Kontakt zu anderen Menschen, egal ob gleichaltrig oder altersgemischt
Übungen des täglichen, praktischen Lebens ermöglichen
SINNVOLLE SPIELMATERIALIEN
A) Spielpartner
beobachten und nachahmen
Kontakt aufnehmen, Reaktionen des Gegenübers austesten, Konflikte bewältigen
Emotionen nachspüren / Rollenspiele (zB. Weinen und Trost suchen / Trost spenden)
Lösungen und Strategien testen und entwickeln, Emotionen zu verarbeiten
beliebt: sich gemeinsam unter leicht durchsichtigen Tüchern verstecken und gegenseitig aufdecken
B) Alltagsgegenstände / Material für Rollenspiele
Kleidung, Verkleidung, Hüte, Mützen, Schals, Schuhe, Kittel...
Accessoires, Sonnenbrillen
Arztkoffer
Küchenutensilien, Lebensmittel, Kasse
Puppe / Stofftier
zweckfreies Material ist wichtig! Etwas, was vielseitig und fantasievoll einsetzbar ist, wie zB. Seile oder Absperrketten zugeschnitten aus dem Baumarkt (nur unter Aufsicht – nicht zu lang!), naturbelassene Bausteine, Naturmaterialien wie Äste, Zapfen, Walnüsse, Kastanien, Korken; Schraubdeckel, Dosen, kleine Kisten mit Deckel...
C) Spiegel
eventuell sogar mit beiliegenden Emotionskarten
(Bildern von Menschen, die unterschiedlichste Gefühle zeigen)
Besonders im Wickel- / Hygienebereich Spiegel zur eigenen Körperwahrnehmung zur Verfügung stellen
D) Gegenstände von allgemeinem oder speziellem Interessen
in dem Alter sind es erfahrungsgemäß am häufigsten Fahrzeuge oder Tiere
E) BÜCHER!
Das Medium Buch halte ich für sehr wichtig.
Man kann eine intensive und fantasievolle Zeit des Beisammenseins und der Nähe miteinander genießen.
Es fördert Ausdauer und Konzentration sowie die sprachliche Entwicklung
projekt- oder spielbezogene Themen lassen sich mit einem (Bilder)Buch sehr gut veranschaulichen und vertiefen.